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<< | < | > | >> | Kapitel 8 - OOP II: Vererbung, Polymorphismus und statische Elemente |
In Java ist es möglich, abstrakte Methoden zu definieren. Im Gegensatz zu den konkreten Methoden enthalten sie nur die Deklaration der Methode, nicht aber ihre Implementierung. Syntaktisch unterscheiden sich abstrakte Methoden dadurch, daß anstelle der geschweiften Klammern mit den auszuführenden Anweisungen lediglich ein Semikolon steht. Zusätzlich wird die Methode mit dem Attribut abstract versehen. Abstrakte Methoden können nicht aufgerufen werden, sie definieren nur eine Schnittstelle. Erst durch Überlagerung in einer abgeleiteten Klasse und Implementierung des fehlenden Methodenrumpfes wird eine abstrakte Klasse konkret und kann aufgerufen werden.
Eine Klasse, die mindestens eine abstrakte Methode enthält, wird selbst als abstrakt angesehen und muß ebenfalls mit dem Schlüsselwort abstract versehen werden. Abstrakte Klassen können nicht instanziert werden, da sie Methoden enthalten, die nicht implementiert wurden. Statt dessen werden abstrakte Klassen abgeleitet, und in der abgeleiteten Klasse werden eine oder mehrere der abstrakten Methoden implementiert. Eine abstrakte Klasse wird konkret, wenn alle ihre Methoden implementiert sind. Die Konkretisierung kann dabei auch schrittweise über mehrere Vererbungsstufen erfolgen. |
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Wir wollen uns ein Beispiel ansehen, um diese Ausführungen zu verdeutlichen. Zum Aufbau einer Mitarbeiterdatenbank soll zunächst eine Basisklasse definiert werden, die jene Eigenschaften implementiert, die auf alle Mitarbeiter zutreffen, wie beispielsweise persönliche Daten oder der Eintrittstermin in das Unternehmen. Gleichzeitig soll diese Klasse als Basis für spezialisierte Unterklassen verwendet werden, um die Besonderheiten spezieller Mitarbeitertypen, wie Arbeiter, Angestellte oder Manager, abzubilden. Da die Berechnung des monatlichen Gehalts zwar für jeden Mitarbeiter erforderlich, in ihrer konkreten Realisierung aber abhängig vom Typ des Mitarbeiters ist, soll eine abstrakte Methode monatsBrutto in der Basisklasse definiert und in den abgeleiteten Klassen konkretisiert werden.
Das folgende Listing zeigt die Implementierung der Klassen Mitarbeiter, Arbeiter, Angestellter und Manager zur Realisierung der verschiedenen Mitarbeitertypen. Zusätzlich wird die Klasse Gehaltsberechnung definiert, um das Hauptprogramm zur Verfügung zu stellen, in dem die Gehaltsberechnung durchgeführt wird. Dazu wird ein Array ma mit konkreten Untertypen der Klasse Mitarbeiter gefüllt (hier nur angedeutet; die Daten könnten zum Beispiel aus einer Datenbank gelesen werden) und dann für alle Elemente das Monatsgehalt durch Aufruf von monatsBrutto ermittelt.
Das Listing ist ebenfalls ein Beispiel für Polymorphismus. Eine Variable vom Typ einer Basisklasse nimmt zur Laufzeit unterschiedliche Objekte aus abgeleiteten Klassen auf. Da bereits in der Basisklasse die Definition von monatsBrutto vorgenommen wurde, akzeptiert der Compiler den Aufruf dieser Methode bereits bei Objekten dieser vermeintlich abstrakten Klasse. Erst zur Laufzeit ist dann bekannt, welcher abgeleitete Typ hinter jedem einzelnen Arrayelement steht, und das Laufzeitsystem ruft die darin implementierte Variante der Methode monatsBrutto auf. |
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001 /* Gehaltsberechnung.java */ 002 003 import java.util.Date; 004 005 abstract class Mitarbeiter 006 { 007 int persnr; 008 String name; 009 Date eintritt; 010 011 public Mitarbeiter() 012 { 013 } 014 015 public abstract double monatsBrutto(); 016 } 017 018 class Arbeiter 019 extends Mitarbeiter 020 { 021 double stundenlohn; 022 double anzahlstunden; 023 double ueberstundenzuschlag; 024 double anzahlueberstunden; 025 double schichtzulage; 026 027 public double monatsBrutto() 028 { 029 return stundenlohn*anzahlstunden+ 030 ueberstundenzuschlag*anzahlueberstunden+ 031 schichtzulage; 032 } 033 } 034 035 class Angestellter 036 extends Mitarbeiter 037 { 038 double grundgehalt; 039 double ortszuschlag; 040 double zulage; 041 042 public double monatsBrutto() 043 { 044 return grundgehalt+ 045 ortszuschlag+ 046 zulage; 047 } 048 } 049 050 class Manager 051 extends Mitarbeiter 052 { 053 double fixgehalt; 054 double provision1; 055 double provision2; 056 double umsatz1; 057 double umsatz2; 058 059 public double monatsBrutto() 060 { 061 return fixgehalt+ 062 umsatz1*provision1/100+ 063 umsatz2*provision2/100; 064 } 065 } 066 067 public class Gehaltsberechnung 068 { 069 private static final int ANZ_MA = 100; 070 private static Mitarbeiter[] ma; 071 private static double bruttosumme; 072 073 public static void main(String[] args) 074 { 075 ma = new Mitarbeiter[ANZ_MA]; 076 077 //Mitarbeiter-Array füllen, z.B. 078 //ma[0] = new Manager(); 079 //ma[1] = new Arbeiter(); 080 //ma[2] = new Angestellter(); 081 //... 082 083 //Bruttosumme berechnen 084 bruttosumme = 0.0; 085 for (int i=0; i<ma.length; ++i) { 086 bruttosumme += ma[i].monatsBrutto(); 087 } 088 System.out.println("Bruttosumme = "+bruttosumme); 089 } 090 } |
Gehaltsberechnung.java |
Unabhängig davon, ob in einem Array-Element ein Arbeiter, Angestellter oder Manager gespeichert wird, führt der Aufruf von monatsBrutto dank der dynamischen Methodensuche die zum Typ des konkreten Objekts passende Berechnung aus. Auch weitere Verfeinerungen der Klassenhierarchie durch Ableiten neuer Klassen erfordern keine Veränderung in der Routine zur Berechnung der monatlichen Bruttosumme.
So könnte beispielsweise eine neue Klasse GFManager (ein Manager, der Mitglied der Geschäftsführung ist) aus Manager abgeleitet und problemlos in die Gehaltsberechnung integriert werden:
001 public class GFManager 002 extends Manager 003 { 004 double gfzulage; 005 006 public double monatsBrutto() 007 { 008 return super.monatsBrutto()+gfzulage; 009 } 010 } |
In der abgedruckten Form ist das Programm in Listing 8.11 natürlich nicht lauffähig, denn das Array ma wird nicht vollständig initialisiert. Ansonsten ist es aber korrekt und illustriert beispielhaft die Anwendung abstrakter Klassen und Methoden. |
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Eine besondere Gefahrenquelle liegt darin, polymorphe Methoden im Konstruktor einer Klasse aufzurufen. Der Grund liegt in der Initialisierungsreihenfolge von Membervariablen während der Konstruktion eines Objekts:
Wird nun im eigenen Konstruktor eine Methode aufgerufen, die in einer abgeleiteten Klasse überlagert wurde, sind die Membervariablen der abgeleiteten Klasse noch nicht initialisiert. Ihr Konstruktor wird ja erst später aufgerufen. Das folgende Beispiel illustriert dieses Problem:
001 /* Listing0813.java */ 002 003 class SingleValue 004 { 005 protected int value1; 006 007 public SingleValue(int value1) 008 { 009 this.value1 = value1; 010 print(); 011 } 012 013 public void print() 014 { 015 System.out.println("value = " + value1); 016 } 017 } 018 019 class ValuePair 020 extends SingleValue 021 { 022 protected int value2; 023 024 public ValuePair(int value1, int value2) 025 { 026 super(value1); 027 this.value2 = value2; 028 } 029 030 public void print() 031 { 032 System.out.println( 033 "value = (" + value1 + "," + value2 + ")" 034 ); 035 } 036 } 037 038 public class Listing0813 039 { 040 public static void main(String[] args) 041 { 042 new ValuePair(10,20); 043 } 044 } |
Listing0813.java |
Die Ausgabe des Programms ist nicht "value = 10", sondern "value = (10,0)". Bei der Konstruktion des ValuePair-Objekts wird zunächst der Konstruktor der Basisklasse SingleValue aufgerufen und initialisiert seine Membervariable value1. Der anschließende Aufruf von print wird polymorph ausgeführt, denn das zu instanzierende Objekt ist vom Typ ValuePair. Da zu diesem Zeitpunkt der Member value2 aber noch nicht initialisiert ist (das würde erst passieren, wenn der Konstruktor von SingleValue komplett abgearbeitet wäre), wird an seiner Stelle 0 ausgegeben (beim Anlegen eines neuen Objekts wird der belegte Speicher mit Nullen gefüllt). Das kann zu schwer auffindbaren Fehlern führen. Aufrufe von Methoden, die möglicherweise überlagert werden, sollten daher im Konstruktor vermieden werden.
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